Die Kreisläufe mit der Legasthenie
Schöne Schulzeit! von Susanne Bergmann
Vor 10 Jahren wurde mein älterer Sohn eingeschult. Jetzt macht er seinen Hauptschulabschluss und er wird ihn schaffen. Er ist Legastheniker.
Es gab eine Reihe von Fördermaßnahmen. Er hat nette Lehrer, mit denen ich in ständigem Austausch stand, und er selbst ist am Ball geblieben. Es sah teilweise aussichtslos aus. Mit der Zeit konnten seine Stärken zum Vorschein kommen und dieser Ausgleich hat geholfen, dass er diese Schulzeit schafft und jetzt sogar noch weitergehen kann und die Aussicht auf den Realschulabschluss hat.
Es hat auch mich als Mutter viel Kraft gekostet, ihn zu begleiten, und ich frage mich jetzt , wo mein zweiter Sohn ein ähnliches Schicksal hat, aber ganz anders reagiert und immer wieder wegen Magenschmerzen nicht zur Schule geht, was ich jetzt machen soll bei einem Kind, das scheinbar wieder eine ganz andere Begleitung braucht.
So sehr ich individuelle Begleitung schätze, eine Umstellung im Schulsystem wäre doch die bessere Lösung.
Schulzeit bedeutet so vieles an Erfahrung für die Kinder, es ist eine wichtige Zeit der Entwicklung für den Menschen und meiner Ansicht nach könnte sie für die Legastheniker, die sehr neugierig und wissbegierig sind, eine sehr schöne Zeit sein.
Mittlerweile gibt es von Neurologen viele Berichte darüber, dass die Gehirne dieser Kinder anders ausgebildet sind, dass sie auf der einen Seite sehr große Talente haben, doch auf der anderen Seite, die für das Lesen- und Schreibenlernen maßgeblich ist, funktionieren sie nicht.
Es gibt Legasthenietrainer, die dies berücksichtigen und gute Erfolge haben. Es wäre eine große Erleichterung, diese Trainer in den Schulen zu beschäftigen oder das Schulsystem auf Legastheniker einzustellen. Könnte es einen Legastheniezweig geben?
Wir Eltern, die die Kinder begleiten, wissen, dass es keine Lösung ist, die Kinder neben der Schule in Therapien zu schicken. Wir leiden mit unseren Kindern und werden traurig, wenn wir sehen, dass die vielen Ideen und Talente, die sie oft haben, hinter dem Selbstbild, dass sie Versager sind, zurückweichen. Außerdem bekommen wir den Frust ab oder müssen unsere Kinder mal wieder wegen Magenschmerzen zu Hause lassen, Kinder, die sich entwickeln wollen, die an der Schulgemeinschaft teilhaben wollen, in denen Esprit und Lebensfreude stecken.
Da diese Kinder nicht auf die Förderschule gehören und dort im Hinblick auf die Aufnahmekriterien auch nicht aufgenommen werden können, da das Regelschulprogramm für sie von der Art ihrer Entwicklung her nicht passt, denn im Lesen- und Schreibenlernen brauchen sie viel mehr Zeit als andere, in anderen Dingen ist ihre Auffassungsgabe viel schneller und sie langweilen sich, plädiere ich für einen Legastheniezweig. Die Hauptschulen würden sich meiner Ansicht nach dafür anbieten, um ein Pilotprojekt zu starten.
Ich bin davon überzeugt, dass das ganze Schulsystem davon profitieren würde, da die Legastheniker eine Bereicherung für die Menschheit sind und uns so zeigen können, wie man mit Freude und Phantasie lernt.
Erst heute Morgen traf ich eine Mutter mit Tränen in den Augen, deren Sohn dreimal in der Woche zu verschiedenen Therapien geht, er kann oft wegen Bauchschmerzen nicht zur Schule gehen, in der Förderschule wird er nicht aufgenommen und nun ist das Zeugnis schon wieder schlecht.
Wer kann etwas für unsere Kinder tun, wenn nicht wir betroffenen Eltern? Wir wollen nicht ins Abseits gedrängt werden und diskriminiert werden. Wir wollen, dass die Phantasie, der Scharfsinn, die soziale Ader und die Lebensfreude unserer Kinder erhalten bleiben. Es sind Kinder, die das alles gerne mit der Gesellschaft teilen wollen.
Susanne Bergmann
gerne.lernen@web.de